Dr. Franz Graf-Stuhlhofer

fundamentalistische Tendenzen

Betonung des Themas "Endzeit"

Apokalyptische Strömungen gab es insbesondere in Umbruchzeiten; in der Gegenwart finden sie in der ökologischen Krise eine zusätzliche Unterstützung. (In diese Kategorie sind natürlich auch die Zeugen Jehovas einzuordnen - siehe oben!)

Eine Untersuchung von um 1970 publizierenden evangelisch-fundamentalistischen (großenteils dispensationalistischen, teils auch pfingstlerischen) Endzeitautoren zeigt, daß deren Ankündigungen für die nahe Zukunft nicht eingetreten sind. (Trotz der seinerzeit großen Verbreitung dieser Bücher und Zeitschriften ist nur ein kleiner Teil davon in öffentlichen Bibliotheken vorhanden.) Welche mentalen Voraussetzungen liegen einer solchen "Demnächsterwartung" zugrunde, und was sind ihre sozialen und politischen Folgen?

'Das Ende naht!' Die Irrtümer der Endzeitspezialisten.
Gießen 1992, ²1993, Nachdruck Bonn 2007 (258 S., € 16,-).
Mit einer aktuellen Einleitung von Thomas Schirrmacher sowie einem ausführlichem Register.

Siehe Inhalt und Auszüge aus Rezensionen (u.a.: "Höchste Zeit, daß dieses Buch geschrieben wurde!"). Ein italienisches Buch verwertete große Teile davon.
Ursachen einer Erwartung des nahen Endes.
Psychologische Faktoren geschichtlicher Vorgänge.

In: Geschichte der Psychologie. Nachrichtenblatt der Fachgruppe Geschichte der Psychologie in der Deutschen Gesellschaft für Psychologie 16 (1999) H.2, S.15-19.

Die Faszination des Themas „Endzeit“ für Bibelleser im 20.Jahrhundert.
In: Freikirchenforschung 11 (2001) 156-177.

Charismatiker

Keine andere Richtung in der christlichen Welt nimmt so rasch zu wie die Charismatische Bewegung; mit ihr verbundene Phänomene werden teils als Chance, teils als Gefahr empfunden. So ergibt sich auch die Notwendigkeit einer Abgrenzung gegenüber
einem "Erfolgsglauben",
einem festen Schema wonach eine Geistestaufe als "2.Erfahrung" stets mit Zungenreden verknüpft sei,
und einer Praxis der Dämonenaustreibung als seelsorgerliche Hauptmethode:

Mit Charismatikern zusammenarbeiten?
Vorschlag von drei Markierungen.
In: Schritte. Magazin für Christen Okt.1991, 28f.

Vereinfachungen

Ungenauigkeiten und Verkürzungen finden sich oft auch in wissenschaftlicher Literatur. Weltanschaulich orientierte - so auch fundamentalistische - Literatur steht zusätzlich in der Versuchung, Sachverhalte tendenziös darzustellen. Ein Aufzeigen solcher Tendenzen sowie mangelnder Kompetenz geschieht m.E. am günstigsten in sachlicher und konkreter Weise.

Es gibt große Mengen von Büchern, mit vielen Behauptungen, Argumenten und Meinungen. Wer hat recht, wem soll man glauben?
Wer die eigene Abhängigkeit von den Meinungen anderer verkleinern will, wer zu eigenen Urteilen fähig werden will, muß selbst auch etwas dazutun. Dieses 1991 verfaßte Hilfsmittel will dabei unterstützen.
Wie erkennt man auch als Laie, ob Angaben falsch sind? Wie erkennt man, ob ein Argument sinnvoll ist, oder ob es ins Leere geht?
Hier findet der Leser eine Reihe von Erläuterungen, jeweils gefolgt von mehreren Beispielen (insgesamt mehr als hundert). Anhand dieser Beispiele soll der Leser üben, selbst zu urteilen. Im Anschluß finden sich die Lösungen.
Die Beispiele sind der evangelikalen Literatur entnommen:

Christliche Bücher kritisch lesen.
Ein Lehr- und Arbeitsbuch zum Trainieren der eigenen Urteilsfähigkeit, anhand von Auszügen aus konservativen evangelischen Sachbüchern

(= Theologisches Lehr- und Studienmaterial 26, Bonn 2008). (87 S., € 12,-).

(Dasselbe Thema behandelten mehrere Artikel in der Jugendzeitschrift PUNKT (Vorläufer von dran.)

Die Kanonsfrage ist ein heikler Punkt für ein fundamentalistisches Inspirationsverständnis. Hier läßt sich oft eine tendenziöse Vereinfachung der Kanonsproblematik beobachten:

Die altkirchliche Kanonsgeschichte im Spiegel evangelikaler Literatur.
In: Gerhard Maier (Hg.), Der Kanon der Bibel. Gießen 1990, 165-197.

Darin die Vielzahl unterschiedlicher Listen alt- sowie neutestamentlicher Bücher, wie sie aus dem 2. bis zum 5.Jh. überliefert ist, auf zwei Schaubildern (S.166f).

Der britische Kreationist und Evolutionskritiker Arthur Ernest Wilder Smith erwies sich in manchen Bereichen als nicht ausreichend kompetent, was ich in einem bestimmten Bereich aufzeige:

A.E. Wilder Smith und die Geschichte der Naturwissenschaften.
In: Evangelium und Wissenschaft. Rundbrief der Karl-Heim-Ges. 1990, Nr.21, S.31-38.

Manche "erbaulich" klingende Angaben verbreiten sich schnell, ohne überprüft zu werden. Die Behauptung, daß der biblische Zuspruch "Fürchte dich nicht!" genau so oft in der Bibel enthalten ist, wie es Tage im Jahr gibt, geht möglicherweise auf den rumänischen Kommunismus-Kritiker Richard Wurmbrand zurück. Tatsächlich kommt dieser Zuspruch jedoch "nur" rund 200mal vor:

"Fürchte dich nicht!" - 365mal in der Bibel?
In: Bibel und Gemeinde 1990, 324f.

Wurmbrand verbreitet auch die unglaubwürdige Nachricht, daß sich Charles Darwin vor seinem Tod bekehrt hätte (in seinem Buch Erreichbare Höhen. Tägliche Andachten, 1978, S.336, unter "24.September"):

Charles Darwin. Weltreise zum Agnostizismus.
Berneck 1988, Kap.8: Darwins religiöse Einstellung, dort S.90-92.

Zeugen Jehovas

Solche fundamentalistischen Tendenzen gibt es auch bei Zeugen Jehovas.