Dr. Franz Graf-Stuhlhofer

Philosophie

Wie eine Überzeugung entsteht

Quantitative Verschiebungen in der Beweislage können zu einem qualitativen Sprung im Inneren des Betrachters führen, nämlich zur Bildung einer Überzeugung. Eine solche Überzeugung entsteht, wenn die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit der betreffenden Aussage sehr hoch ist (und 90% deutlich übersteigt). Das lässt sich in verschiedenen Bereichen zeigen, etwa in der Strafgerichtsbarkeit (anhand einer Kurzgeschichte von Cornell Woolrich: Fenster zum Hof) oder in der Wahrscheinlichkeitstheorie (Münzwurf).

Die Überzeugungsbildungsschwelle
In: Glaube und Denken. Jb. der Karl-Heim-Gesellschaft 16 (2003) 209-212.

(Siehe dazu die Einschätzung der Herausgeber.)

Sozialgeschichte der Philosophie

Eine "Sozialgeschichte der Philosophie" sollte die Wechselwirkung zwischen Philosophie und Gesellschaft behandeln. Eine solche Wechselwirkung ist in beiden Richtungen möglich:
1. Gesellschaft ==> Philosophie:
Gesellschaftliche Bedingungen als Faktoren für Werden und Vergehen philosophischer Strömungen. Hier wäre etwa an die soziale Herkunft bedeutender Philosophen zu denken.
2. Philosophie ==> Gesellschaft:
Philosophische Einflüsse auf das Denken und Handeln der Gesellschaft. Hierher gehören z.B. die politischen Auswirkungen des Marxismus.
Mir geht es in dieser Untersuchung um die zweite Richtung: Wie wirkt die Philosophie auf die Gesellschaft ein? Dabei schränke ich meine Betrachtung in zweifacher Hinsicht ein: Erstens geht es mir lediglich um das Denken, nicht auch um das Handeln. Zweitens geht es mir nur um eine bestimmte Schicht der Gesellschaft, nämlich um jene Menschen, denen Bildungsmöglichkeiten gegeben wurden:

Die philosophische Auseinandersetzung der österreichischen Naturforscher um 1800.
Ausgewählte Beispiele: Littrow, Unger, Doppler, Petzval, Hyrtl.

In: Michael Benedikt, Reinhold Knoll (Hg.): Verdrängter Humanismus - Verzögerte Aufklärung, Bd.3.: ... Philosophie in Österreich (1820-1880). Wien 1995, 467-472.

Darwinismus

Die Vorstellung von einer Evolution wirkte sich außerhalb der Biologie zuerst theologisch aus (Schöpfung!), sodann politisch (Sozialdarwinismus!) und schließlich erkenntnistheoretisch.

Die Evolutionstheorie und die Frage nach dem Weltgrund.
In: Philosophia Naturalis 20 (1982f) 492-505.

Durch Darwins vielbeachete Evolutionstheorie wurde auch die Gottesfrage neu aufgerollt. Eine solche "natürliche" Erklärung verschiebt zwar die Ursprungsfrage, löst sie aber nicht grundsätzlich.

Darwinismus-Rezeption bei Österreichs Biologen. Nicht zwei Schulen, sondern viele Richtungen.
In: Michael Benedikt, Reinhold Knoll (Hg.): Verdrängter Humanismus - Verzögerte Aufklärung, Bd.3.: ... Philosophie in Österreich (1820-1880). Wien 1995, 797-807.

Um die Darwinismus-Rezeption der österreichischen Biologen zu verfolgen, gehe ich von einem repräsentativen Querschnitt aus, indem ich all jene Mitglieder der Akademie der Wissenschaften in Wien betrachte, deren Lebenszeit den Zeitpunkt des Erscheinens von Darwins Hauptwerk (in Englisch 1859, in deutscher Übersetzung 1860) mit umfasst.

Charles Darwin.
Weltreise zum Agnostizismus.

Berneck 1988 (166 S.).

(Siehe einen Auszug aus einer Rezension in der ThPQ.)


Diese Biographie von Darwin (1809-82) unterscheidet sich von anderen Biographien durch ihre systematische - anstelle einer chronologischen - Anordnung. Den einzelnen Aspekten von Darwins Leben - z.B. seiner religiösen Einstellung - widme ich jeweils einen eigenen Abschnitt. - Ein besonderes Schwergewicht liegt auf dem Aufzeigen bestimmter verzerrender Tendenzen der Geschichtsschreibung: Oft versuchen Darwin-Biographien diesen vom Sozialdarwinismus abzurücken (Kap.5,3); von verschiedenen überlieferten Versionen der Debatte zwischen Thomas Henry Huxley und dem Bischof Wilberforce 1860 wird meist ausgerechnet jene gewählt, die den Kirchenvertreter am schlechtesten aussehen läßt (Kap.10/1).

"Vorläufer" von Popper, Kuhn, Feyerabend

Christian Doppler - ein 'Vorläufer' von Popper und Kuhn.
In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 14 (1991) 239f.

Christian Doppler lebte von 1803-1853. Seine Veröffentlichung des später nach ihm benannten Effektes löste Kontroversen aus, in derem Verlaufe er sich zu erkenntnistheoretischen Fragen äußerte. Seine Äußerungen erinnern teils an Thomas S. Kuhn, teils an Karl R. Popper.

August Weismann - ein 'Vorläufer' Poppers.
In: Conceptus. Zeitschrift für Philosophie 20 (1986) 99f.

Der Zoologe Weismann hielt 1868 einen Vortrag, in dem der Grundgedanke von Karl R. Poppers Falsifikationismus zu finden ist.

Und schließlich kann der Newton-Biograph Brewster (Life of Sir Isaac Newton, 1831) als Vorläufer von Feyerabend (Against Method, 1975) angesehen werden:

David Brewster - ein „Vorläufer“ von Paul Feyerabend.
In: Mitteilungen der Österreichischen Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte 27 (2010) 167f.

Tradition kontra Empirie

Zum Spannungsfeld zwischen Tradition und Empirie siehe meinen Aufsatz in Astronomie im 13.-17.Jh.

Nationalismus

In der westlichen Welt hat der Nationalismus seinen Höhepunkt wohl schon überschritten (wenn er auch weiterhin Bedeutung hat, vgl. ‘Neue Rechte’ sowie einen starken ‘Regionalismus’), in der übrigen Welt ist seine Wirkung ungebrochen.
Siehe dazu Wissenschaftsmessung (Bewertung durch Auswahl, Nobelpreise), und Theorie der Naturwissenschaftsgeschichte (Buch „Lohn und Strafe in der Wissenschaft“, Kap.III/9).