fehlerhafte Geschichte der Religionen + Konfessionen
Karl Vocelka: Multikonfessionelles Österreich. Religionen in Geschichte und Gegenwart (2013)Hier bringe ich Auszüge aus meiner Rezension im Jahrbuch für Geschichte des Protestantismus in Österreich 129 (2013) S. 233–235:
... Der Österreichhistoriker Vocelka tritt in diesem Buch also kaum in Erscheinung, sondern eher der Religionswissenschaftler – oder jemand, der das zu sein beansprucht. Vergleiche wie der folgende machen mich allerdings skeptisch: „Die Evangelien des Neuen Testamentes wurden – der Lehre der jeweiligen Religionsgemeinschaft nach – den Aposteln ebenso offenbart wie der Koran (Qur’an) dem Propheten Muhammad.“ (S.13) Aber das jeweilige Selbstverständnis bezüglich der eigenen Glaubensgrundlage ist bei diesen beiden Religionen keineswegs gleichzusetzen.
Auch die Bezugnahmen auf die Frühzeit des Christentums sind problematisch: Vocelkas quasi als Faktum präsentierte Angabe der „Abfassung des Johannesevangeliums um 130“ (S.118) liegt außerhalb des Meinungsspektrums der Neutestamentler, das sich etwa von 68/69 (Klaus Berger) bis 100-105 (Martin Hengel) erstreckt. Vocelka meint, dass sich die „stark die Tradition der alten Kirche“ betonenden Altkatholiken von dieser Tradition u.a. beim Zölibat „weit entfernt haben“ (S.160). Damit setzt Vocelka fälschlich voraus, dass die alte Kirche einheitlich den Zölibat für bestimmte Amtsträger vertrat.
... Dass der Weltbund der Baptisten „aus zirka 40 Millionen Mitgliedern besteht“, ist falsch ausgedrückt, denn Mitglieder im Weltbund sind Bünde (Unionen), nicht die einzelnen Baptisten. ... die Evangelisch-methodistische Kirche heißt bei ihm – trotz der 2004 erfolgten Umbenennung – noch immer „Methodistenkirche“ (S.126). ...
Vocelka gibt an, dass die evangelische Kirche seit 1951 mit der Methodistenkirche und den Baptisten „in der Evangelischen Allianz vereint“ sei (S.117). Aber in dieser Allianz sind überhaupt keine Kirchen vereint, sondern Christen; soweit diese in ihren Kirchen leitende Verantwortung haben, kann es dann auch zu kirchlicher Zusammenarbeit kommen. Eine solche gab es in Wien im Rahmen der Evangelischen Allianz zwischen einzelnen Gemeinden aber schon lange vor 1951. ...
Zu den ab 1998 eingetragenen Bekenntnisgemeinschaften erschienen Selbstdarstellungen in der Grazer Reihe „Theologie im kulturellen Dialog“ sowie in der Zeitschrift „Österreichisches Archiv für Recht & Religion“. Dort wären auch fachkundige Analysen zum österreichischen Kirchenrecht zu finden. Frank Hinkelmann gab 2009 eine „Konfessionskunde“ für Österreich heraus, beschränkt auf christliche Konfessionen, aber weit umfangreicher und innerhalb des gewählten Themas vollständiger. All diese Publikationen finden in Vocelkas langem Literaturverzeichnis keine Erwähnung; ... Vocelka ... listet vor allem allgemeine Literatur – ohne speziellen Österreichbezug – zu den einzelnen Konfessionen und Religionen auf.
... eine Darstellung z.B. der Adventisten in Österreich sollte auch die Erforschung ihrer Geschichte durch Daniel Heinz (1993) berücksichtigen. Dass ein großer Teil dieser österreichspezifischen Literatur in diesem Buch fehlt, widerspricht dem von Vocelka selbst genannten Kriterium der Literaturauswahl, wonach er Bücher, „die sich mit der Entwicklung oder der Situation einer Konfession in Österreich beschäftigen“, der allgemeinen Literatur vorzieht (S.7).
... Ich fürchte allerdings, dass dieses Buch – aufgrund der erwähnten Mängel – nicht hilfreich ist.