Dr. Franz Graf-Stuhlhofer

Rezensionen zum Buch über Köster


Ludwig Neidhart (Theologe und Mathematiker in Augsburg)
in: Forum Katholische Theologie 18 (2002) 316f:
Neidhart betrachtet zuerst die Quellenfrage:
„Graf-Stuhlhofer geht sehr kritisch mit seinen Quellen um, indem er sich eingehend mit verschiedenen Echtheitszweifeln auseinander setzt, ehe er diese als unbegründet zurückweist“.
Das zentrale Anliegen in Kösters Predigten der NS-Zeit sieht Neidhart in folgendem:
„Köster übte vor allem Kritik an dem zur Religion gewordenen ‚Patriotismus’, den er als ‚Vergottung’ von Rasse und Volk kennzeichnete und als ‚Rauschzustand’ brandmarkte.“
Ausführlich widmet sich Neidhart dem – letztlich auch für ihn offen bleibenden - Rätsel, „warum Köster nicht verhaftet wurde, da in anderen Fällen weit weniger kritische Äußerungen für eine Verhaftung genügt haben“.
Der Katholik Neidhart vergleicht mit Beispielen aus seiner eigenen Kirche:
„Auch auf katholischer Seite wurden die von Köster kritisierten Punkte von verschiedenen Bischöfen und Priestern (Preysing, Galen, Faulhaber, Lichtenberg, Mayer, Delp usw.) zur Sprache gebracht, und wie auf baptistischer Seite waren auch bei den Katholiken mutige Stellungnahmen eher die Ausnahme.“
 
Gustav Reingrabner (war o.Prof. für Kirchenrecht an der Universität Wien und Präsident der Gesellschaft für die Geschichte des Protestantismus in Österreich)
in: Jb. für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 117f (2002) 219f:
Reingrabner hebt drei Kapitel hervor, die das Buch „besonders wertvoll machen“:
„Unter der Überschrift ‚Die Grenze des Möglichen’ wird die Predigtweise und die Aussage des Predigers beschrieben, dann folgt eines mit ‚Charakteristika von Kösters christlichem Philosemitismus’ und eines, in dem den Motivationen christlichen Widerstandes nachgegangen wird.“
Reingrabner hält solche Untersuchungen für „wichtig, weil sie
a) etwas über die Existenz kleinerer religiöser Gruppen in Wien während des Dritten Reiches berichten,
b) Möglichkeiten eines christlich motivierten Widerstandes gegen das Regime überprüfen,
c) eine eindrucksvolle Persönlichkeit im freikirchlichen Raum Österreichs vorstellen.“
 
Nicholas M. Railton (Lektor für Germanistik an der Universität Ulster in Nordirland; er publizierte wichtige Bücher zur Geschichte der deutschen Evangelischen Allianz)
in: Journal of Ecclesiastical History 54 (2003) 190:
Railton beginnt mit meiner Einschätzung der Bedeutung Kösters: „Graf-Stuhlhofer portrays Köster as one of the most trenchant public critics of National Socialism, indeed as a man of historic significance.“ Allerdings lehnt Railton diese These ab. Wie begründet er diese Ablehnung? Die einfachste Widerlegung meiner These würde darin bestehen, auf andere NS-Kritiker zu verweisen, auf die mein auf Köster gemünzter Superlativ („der schärfste dokumentierte öffentliche kontinuierliche NS-Kritiker im Großdeutschen Reich“) eher zutrifft als auf Köster. Das tut Railton jedoch nicht. (Als einzigen Zeitgenossen Kösters nennt er den Wehrdienstverweigerer Franz Jägerstätter, der kein „öffentlicher NS-Kritiker“ war).
Railton vermag in Kösters Predigten keine scharfe NS-Kritik zu finden und urteilt: „The occasional references made by Köster to National Socialism, if indeed that is what they were, are at best oblique, vague allusions.“ Railton nennt keine konkreten Beispiele; ich nenne hier einige wenige: Köster bezeichnet bereits im Jahre 1932 das Hakenkreuz als ein antichristliches Zeichen, beschreibt 1941 den Antichristen so, dass Hörer und Leser darin deutlich Hitler charakterisiert sehen, und er fordert 1943 den Nationalsozialisten dazu auf, sich seine ganze Gedankenwelt zerschlagen zu lassen – das alles sind für Railton nur versteckte, unklare Anspielungen?? Und dass Köster in nahezu jeder Predigt und jedem Vortrag – also 3mal wöchentlich – auf politische Themen eingeht (was bei einem Prediger in der NS-Zeit an sich schon ein ausreichender Verhaftungsgrund war), das sind für Railton bloß „occasional references“!?
Am Schluss macht Railton eine Bemerkung, mit der er beinahe Recht hätte: Im Hinblick auf einen Vergleich zwischen dem atl. Propheten Jeremia und Köster vermutet Railton: „Köster would not approve of such a comparison.“ (Wie aus dem Zusammenhang deutlich wird, meint Railton hier „vergleichen“ im Sinne von „[ungefähr] gleichsetzen“.) Doch hier können wir präzisieren: Köster würde nicht nur einen solchen Vergleich ablehnen, sondern er hat ihn abgelehnt – wie in meinem Buch anhand ausführlicher Zitate nachzulesen ist. Diese Zitate fasse ich dort folgendermaßen zusammen: „Köster bezeichnete hier den Propheten Jeremia als sein unerreichtes Vorbild.“ (S.248). Es hat also weder Köster noch ich diese beiden Gestalten als vergleichbar (im Sinne von ähnlich) bezeichnet, dennoch unterstellt Railton das meinem Buch: „In this study the Baptist is compared with the OT prophet Jeremiah“. Nachdem Railton mir also unterstellt, Köster mit Jeremia verglichen zu haben, wendet er gegen diesen Vergleich ein, dass Jeremia – im Unterschied zu Köster – eingesperrt wurde. (Was für sich genommen noch kein Einwand ist, denn die Aktivität zweier Menschen kann ähnlich – und somit „vergleichbar“ - sein, ohne dass sie das gleiche Schicksal erleiden.) Besonders groß erscheint der Unterschied zwischen Jeremia und Köster durch Railtons Verweis auf das – unbekannte! - Lebens-Ende Jeremias: „Jeremiah … was ultimately (tradition has it) stoned to death by his own people“. Railton bemüht hier eine außerbiblische, vielleicht erst ein halbes Jahrtausend nach Jeremia entstandene (und daher völlig unsichere) Überlieferung.

Andrea Strübind (Prof. für Kirchengeschichte an der Univ. Oldenburg) verwies wiederholt auf Köster,
zuletzt in ihrem Beitrag „Wir Christen unter Zuschauern“. Die deutschen Baptisten und die Judenverfolgungen in der Zeit der NS-Dikatur'', in: Daniel Heinz (Hg.): Freikirchen und Juden im „Dritten Reich“ (Kirche – Konfession – Religion; 54). Göttingen 2011, S.158:
„Köster gehörte bereits in der Endphase der Weimarer Republik zu den wenigen dezidierten Kritikern des Nationalsozialismus im freikirchlichen Umfeld. Als ein entscheidendes Proprium Kösters arbeitete Graf-Stuhlhofer in seiner Biografie dessen spezifische Israellehre heraus, die er an vielen Belegen verifizierte.“