Dr. Franz Graf-Stuhlhofer

Verwertung der ÖAW-Archivalien aus der NS-Zeit

Es dauerte lange, bis es zu intensiver Auseinandersetzung mit der NS-Zeit kam – besonders in Österreich. Für Deutschland war das aufwühlende Jahr 1968 ("Studentenrevolte") ein starker Anstoß dazu, in Österreich kam es zu einer schärferen Betrachtung der NS-Zeit erst durch die Diskussion um die Vergangenheit von Kurt Waldheim aus Anlass der Bundespräsidentenwahl 1986 (d.h. erst fast zwei Jahrzehnte später!).
Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hieß während der Zwischenkriegszeit und zur NS-Zeit „Akademie der Wissenschaften in Wien“. Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums 1947 beschrieb Richard Meister ihre gesamte Geschichte – die NS-Zeit kam darin auch vor, aber nicht detailliert und ohne Quellenbelege.
Vor meiner Untersuchung von 1995 publizierten einige Historiker kritisch über die Akademie zur NS-Zeit, ohne jedoch die in der Akademie vorhandenen archivalischen Quellen zu benutzen (Gerhard Oberkofler 1983, Michael Derndarsky 1989, Siegfried Mattl + Karl Stuhlpfarrer 1989 – genauere Angaben in meinem genannten Beitrag auf S.150). Gab es auf dem Weg ins Akademie-Archiv zu den Beständen aus der NS-Zeit spezielle Hürden? Als ich meine Untersuchung, gegründet auf diese Archivalien, publiziert hatte, fragte mich ein Historiker, ob ich etwa durch meinen Doktor-Vater Günther Hamann, der Akademie-Mitglied war (und zur Zeit meiner Untersuchung 1994 starb), einen besonderen Zugang zu den fraglichen Archivalien erhielt … Tatsächlich hatte mein Zugang aber mit Hamann nichts zu tun, sondern es war eine Ansammlung von Zufällen: Als von der Deutschen Akademie Leopoldina die Anfrage an mich kam, bei einem für 1994 geplanten Symposium über die Wiener Akademie zur NS-Zeit zu referieren, hatte ich gerade einen kleinen Forschungsauftrag der Akademie (zu einem ganz anderen Thema) und daher guten Zugang zu Bibliothek sowie Archiv. Der damalige Archivar war krank (und starb bald darauf), d.h. ich musste/konnte die Archivalien ohne Hilfe benutzen.